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Ein Beitrag von Matthias Walker, R​echtsanwalt BvM Berlin

 



Darf man Fotos auf in einer frei zugänglichen Datenbank wie Wikimedia Commons hochladen, die lediglich alte Kunstwerke abbilden, denen kein urheberrechtlicher Schutz mehr zukommt? Dies verneinte jüngst das OLG Stuttgart und entfachte eine Debatte, die weitreichende Folgen für Online-Datenbanken und deren Nutzer haben könnte. Was war passiert?

Ein ehrenamtlicher Nutzer der Datenbank Wikimedia Commons stellte mehrere Fotos von Kunstwerken (Gemälde, Statuen, Vasen etc.) in die Mediendatenbank Wikimedia Commons ein, die in einem Museum ausgestellt wurden und aufgrund ihres Alters nicht mehr urheberrechtlich geschützt, also gemeinfrei sind. Wikimedia Commons ist ein mit Wikipedia verknüpftes Medienarchiv für Bildmaterial und anderen Mediendateien. Die hochgeladenen Bilder waren zum Teil eingescannte Fotos aus einem Sammelband des Museums, die weiteren Bilder hatte der Wikipedia-Nutzer selbst bei einem Besuch im Museum angefertigt. Die Veröffentlichung der Bilder erfolgte – wie bei Wikimedia üblich – mittels einer Creative Commons Lizenz, die primär eine freie Nutzung durch Dritte gewähren soll.

Das Museum zeigte sich nicht einverstanden mit der öffentlichen Zugänglichmachung über Wikimedia Commons, mitunter auch deshalb, da die genutzte Creative Commons Lizenz eine kommerzielle Nutzung der Bilder durch Dritte ermöglichte. Die Klage des Museums auf Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung über Wikimedia Commons hatte vor dem Landgericht Stuttgart Erfolg. Vor kurzem entschied nun das OLG Stuttgart über die Berufung des ehrenamtlichen Wikimedia-Nutzers.

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Wikimedia-Nutzer unterliegt auch in der Berufungsinstanz

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Auch das OLG Stuttgart bestätigte auf die Berufung des Wikimedia-Nutzers hin, das Unterlassungsbegehren des Museums.

Nach Auffassung des OLG Stuttgart, handelte es sich bei den eingescannten Fotografien aus dem Sammelband um urheberrechtlich geschützte Lichtbilder (§ 72 UrhG). An diesen habe das Museum ausschließliche Rechte, die dem Wikimedia-Nutzer nicht eingeräumt worden seien.

Die Unterlassungsverpflichtung bezüglich der durch den Wikimedia-Nutzer selbst erstellten Fotos der gemeinfreien Kunstwerke begründete das Gericht mit einer Verletzung des Eigentums- und Hausrechts des Museums. Da im Museum ein Schild mit einem Fotografierverbot angebracht war, sei durch das Fotografieren das Eigentumsrecht des Museums an den Kunstwerken und zugleich dessen Hausrecht verletzt, da der Zutritt zum Museum von der Einhaltung des Fotografierverbots abhängig gemacht worden sei.

Ist die Gemeinfreiheit also irrelevant?

Der Beklagte wies vergeblich darauf hin, dass die abgelichteten Kunstwerke selbst keinen urheberrechtlichen Schutz mehr besäßen. Nach seiner Auffassung würde durch die Untersagung der Veröffentlichung die Gemeinfreiheit der Kunstwerke und somit deren freie und kostenlose Nutzung unterlaufen.

Hinsichtlich der eingescannten Bilder aus dem Sammelband führte der Beklagte an, Reproduktionsfotografien gemeinfreier Werke müssten aus dem Lichtbildschutz des UrhG herausgenommen werden, da es keinen Grund gäbe, weshalb Fotografien nicht wie das mittlerweile gemeinfreie Werk genutzt werden dürften.

Bezüglich der selbst gemachten Fotografien meinte der Beklagte, dass die Gemeinfreiheit letztlich durch einen Rückgriff auf den Eigentumsschutz nachträglich wieder monopolisiert und somit unterlaufen werde.

Das Argument der Gemeinfreiheit vermochte das Gericht letztlich jedoch nicht zu überzeugen. Nach seiner Ansicht kann keine Ausnahme vom Lichtbildschutz für Fotografien gemacht werden, auch wenn das abgebildete Werk selbst keinen urheberrechtlichen Schutz genieße. Hinsichtlich der selbst erstellten Bilder stellt sich das Gericht auf den Punkt, die Gemeinfreiheit an einem Werk beträfe eben nur dessen unkörperlichen Teil. Der körperliche Teil, also z.B. eine Vase als körperlicher Gegenstand, sei trotz Gemeinfreiheit auch weiterhin vom Eigentumsrecht geschützt, dass unabhängig vom Urheberrecht bestünde. Dies genüge, um eine Veröffentlichung des Bildes zu untersagen. Damit folgte das OLG auch der Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Sachen „Sans Souci“.

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Die Folgen

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Medienberichten zufolge hat Wikimedia Deutschland bereits angekündigt ihren beklagten Nutzer bei seinem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof finanziell zu unterstützen. Somit erscheint das vorliegende Verfahren zu einer grundsätzlichen Debatte darüber zu werden, wie weit die Gemeinfreiheit ehemals urheberrechtlich geschützter Werke reicht. Betrachtet man die immense Zahl an Bild- und anderem Material, welches über Wikimedia Commons oder vergleichbare Datenbanken zugänglich gemacht wird, könnte eine Bestätigung der Stuttgarter Urteile durch den BGH weitreichende Folgen für die Nutzung derartiger Plattformen haben.

Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens wird aber bereits jetzt deutlich, dass eine Nutzung von Creative Commons Lizenzen auch weiterhin keine Absicherung gegen Unterlassungs- oder gar Schadensersatzansprüche Dritter garantiert. Hier findet sich noch häufig unter Verwendern solcher Lizenzen die fälschliche Vorstellung, dass man durch die Nutzung von Creative Commons keine Rechte Dritter verletzen könne, da man mit der Veröffentlichung der Werke – salopp formuliert – „kein Geld verdiene“. Je nach Creative Commons Lizenz kann eine kommerzielle Verwendung durch Dritte aber möglich sein, sodass es auf ein gewerbsmäßiges Handeln des Uploaders nicht ankommt, sondern allein auf die Verursachung des Uploads. Im vorliegenden Fall etwa wurde tatsächlich eines der hochgeladenen Bilder durch Dritte für Merchandise-Artikel kommerziell genutzt.

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