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Ein Betrag von Rechtsanwältin Eva Ditgen, BvM Berlin

 

Zwar lehnte das Verfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde des Fotografen Espen Eichhöfer ab, in der ungewöhnlich detaillierten Begründung des sog. Nichtannahmebeschlusses stärkte das Gericht aber die bis dahin vom Verfassungsgericht nicht bewertete Kunstform der "Street Photography" oder Straßenfotografie.

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Was war passiert?

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Die Galerie "C/O Berlin" hatte im Jahr 2013 13 Fotografen der Agentur "Ostkreuz" gebeten, den Berliner Stadtteil Charlottenburg mit Blick auf dessen Bewohner sowie deren vielfältiger Geschichte mit dem Mittel der Fotografie zu erkunden. Im Rahmen der darauf folgenden frei zugänglichen Ausstellung mit dem Thema „Ostkreuz: Westwärts. Neue Sicht auf Charlottenburg“ wurden vor dem Gebäude der Galerie "C/O Berlin" 146 Fotografieren auf 24 Ausstellungstafeln ausgestellt. Die streitgegenständliche Fotografie nahm dabei die gesamte Fläche einer Ausstellungstafel ein (120 x 140 cm) und zeigte im Mittelpunkt eine Frau. Die Frau nahm etwa ein Drittel des Bildes ein, war auf der Fotografie gut zu erkennen und wurde bei der Überquerung einer Ampel dargestellt. Wie in der Straßenfotografie üblich, hatte der Fotograf weder die Einwilligung zur Aufnahme des Bildes noch zu dessen Ausstellung von der dargestellten Frau eingeholt.

Daraufhin forderte sie die Galerie und den Künstler wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur Unterlassung auf. Eine entsprechende Unterlassungserklärung wurde abgegeben. Daraufhin klagte die Frau auf Erstattung ihrer Anwaltskosten für die erfolgte Abmahnung sowie auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr und einer Geldentschädigung. Das Landgericht verurteilte daraufhin den Fotografen zur Erstattung der Anwaltskosten. Soweit die Klage aber die Zahlung einer Geldentschädigung und einer fiktiven Lizenzgebühr betraf, wies das Landgericht die Klage zurück. Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin wiege nicht so schwer, dass die Ersetzung eines immateriellen Schadens gerechtfertigt sei. Die daraufhin eingelegte Berufung des Fotografen wies das Kammergericht Berlin zurück. Gegen diesen Beschluss wendete sich Espen Eichhöfer mit seiner Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht. Eichhöfer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde unter anderem die Verletzung seiner Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG).

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Was sagt das Bundesverfassungsgericht?

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Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, da die zwar zulässige Verfassungsbeschwerde unbegründet sei. Die Verurteilung des Fotografen zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten wegen der Geltendmachung des Unterlassungsanspruches beeinträchtige diesen zwar in seiner Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, jedoch habe das Gericht eine korrekte Abwägung zwischen dem Recht am eigenen Bild als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin einerseits und der Kunstfreiheit des Fotografen andererseits vorgenommen. Das Kammergericht habe insbesondere die Bedeutung und Tragweite der Kunstfreiheit mit einbezogen, da es den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG für „Bildnisse,… (die) einem höheren Interesse der Kunst (dienen)“ als eröffnet ansah. Dabei sei das Gericht den Eigengesetzlichkeiten der Straßenfotografie ausreichend gerecht geworden. Im konkreten Fall überwiege aber die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin durch die Präsentation der Fotografie auf einer großformatigen Stelltafel an einer für alle frei zugänglichen, stark befahrenen Straße einer Millionenstadt.

Was wie eine Niederlage wirkt, hat tatsächlich die Position der Straßenfotografen in Deutschland gestärkt. Wie das?

Das Verfassungsgericht stellt in seiner Begründung fest, dass das ausgestellte Foto ein Kunstwerk ist und somit in den Anwendungsbereich des Art 5 Abs. 3 GG fällt. Dass das Foto ein „unverfälschtes Abbild der Realität“ darstelle stehe dem nicht entgegen. Es sei gerade „Ziel der Straßenfotografie, die Realität unverfälscht abzubilden“, wobei das „spezifisch künstlerische in der bewussten Auswahl des Realitätsausschnitts und der Gestaltung fotografischen Mitteln zum Ausdruck komme“. Damit stellt das Verfassungsgericht erstmalig klar, dass die Straßenfotografie als Kunst anzuerkennen ist und in den Schutzbereich der Kunstfreiheit fällt. Das Gericht stellt klar, dass die ungestellte Abbildung von Personen gerade ohne vorherige Einwilligung dieser Personen strukturtypisch für die Straßenfotografie ist und folglich die mangelnde Einwilligung für sich nicht zur Rechtswidrigkeit der Anfertigung und/oder Ausstellung der fraglichen Fotografie führt.

Während sich die Branche zu Recht über die höchstrichterliche Anerkennung der Straßenfotografie als Kunstform freut bleibt festzuhalten, dass die Abwägung zwischen Kunstfreiheit einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht andererseits stets im Einzelfall erfolgen muss und nicht pauschal beantwortet werden kann.

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