Als Reaktion auf steigende Corona Infektionszahlen in den USA und die Ausbreitung der Delta Variante beschließt Netflix eine Impfpflicht bei amerikanischen Produktionen.
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Netflix führt Impflicht für Set-Mitarbeiter ein
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Eine entsprechende Impfdirektive dürfte für deutsche Filmproduktionen nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen
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Eine gesetzliche Impfpflicht in Deutschland ist bisher nicht absehbar
Ein Beitrag von Johanna Schley - Rechtsanwältin Brehm & v. Moers München und Dr. Matthias Grundmann - Partner Brehm & v. Moers München

Nach übereinstimmenden Medienberichten führt der Streaming-Dienst Netflix für seine Produktionen in den USA eine Pflicht zur Impfung gegen Covid-19 ein. Zur Impfung verpflichtet werden alle Mitarbeiter der so genannten „Zone A“, also alle Darsteller und Personen, die am Set in engem räumlichen Kontakt zu den Darstellern stehen. Geimpft sein müssen dementsprechend neben den Schauspielern auch Make-up Artists und Frisöre, nicht hingegen Catering und Security. Ausnahmen von der Impflicht kommen allein aus medizinischen, religiösen oder altersbedingten Gründen in Betracht.
Zum Hintergrund in den USA
Hollywood-Gewerkschaften wie die Produzentenvereinigung AMPTP und die Schauspielervertretung SAG-AFTRA hatten in der vergangen Woche mit den größten Filmstudios einen rechtlichen Rahmen vereinbart, nach dem „von Produktion zu Produktion" entschieden werden dürfe, Mitarbeiter der „Zone A“ der Sets in die Impfpflicht zu nehmen. Dies hatte bereits das Studio NBCUniversal, das derzeit die Watergate-Serie „Gaslit“ produziert, zum Anlass genommen, eine entsprechende Impfpflicht einzuführen.
Eine Impfdirektive dürfte in Deutschland derzeit nur ausnahmsweise zulässig sein.
Gesetzliche Impfpflicht in Deutschland?
Eine gesetzliche Impfpflicht besteht in Deutschland nicht. Die Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung) normiert lediglich ein Recht, nicht aber eine Pflicht zur Impfung. Angesichts des erheblichen Eingriffs in das Recht auf körperliche Unversehrtheit bedürfte es eines formellen, also vom Bundestag im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschlossenen Gesetzes zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. Dem Grunde nach ist eine gesetzliche Impfpflicht allerdings möglich und verfassungskonform. Die Pockenschutzimpfpflicht, die bis 1976 galt, wurde vom Bundesverwaltungsgericht als verfassungskonform angesehen (Urteil vom 14. 7. 1959 - BVerwG I C 170/56), ebenso erklärte das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr die durch das Masernschutzgesetz eingeführte Impfpflicht insbesondere für schulpflichtige Kinder im Eilverfahren für zulässig (BVerfG, Beschluss vom 11.5.2020, 1 BvR 469/20, 1 BvR 470/20). Somit bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber für bestimmte Personengruppen eine Corona-Impfpflicht einführen wird.
Vertragliche Impfpflicht in Deutschland?
Eine vertragliche Impfpflicht dürfte nur im Ausnahmefall in Betracht kommen. Geregelt werden könnte eine Pflicht zur Impfung gegen Covid 19 durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag. Maßgeblich ist jeweils die Frage, inwiefern der Arbeitgeber, auch im Rahmen seines Direktionsrechts, vom Arbeitnehmer eine Impfung verlangen darf. Dabei konkurrieren das betriebliche Interesse des Arbeitgebers (Art. 12, 14 GG) mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers sowie mit dessen allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Zu berücksichtigen sind auf Seiten des Arbeitgebers die erheblichen finanziellen Belastungen des Produktionsunternehmens, die durch Corona-Erkrankungen und hierdurch ausgelöste Personalausfälle und Verzögerungen des Drehs entstehen. Für die Filmbranche ist außerdem zu berücksichtigen, dass eine fehlende Corona-Impfung etwaige Dreharbeiten im Ausland und damit die Durchführung des Arbeitsverhältnisses erheblich erschweren kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn nach den jeweiligen Einreisebestimmungen eine Impfung zur Vermeidung der Quarantänepflicht vorausgesetzt wird. Neben dem Eigeninteresse am Schutz der Mitarbeiter treffen den Arbeitgeber zugleich arbeitsschutzrechtliche Fürsorge- und Schutzpflichten.
Aus Sicht des Arbeitnehmers ist zu berücksichtigen, dass die Impfung mit dem entsprechenden ärztlichen Heileingriff einen massiven Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellt. Gleichzeitig handelt es sich bei der Filmproduktion gerade nicht um einen Bereich, in dem primär die Gesundheit von besonders gefährdeten Personengruppen wie Patienten in Rede steht.
Ausblick
Bislang fehlt es an Direktiven seitens der deutschen Gerichte. Mangels Rechtsprechung ist daher völlig unklar, ob eine vertragliche Impfpflicht – auch nur in Ausnahmefällen – anerkannt wird. Gute Argumente sprechen dafür, dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer im Filmbereich nur in Einzelfällen – insbesondere im Falle der Zusammenarbeit mit besonders vulnerablen Personengruppen nach § 2 Nr. 2 ff der Coronavirus-Impfverordnung – zu einer Impfung verpflichten können. Es empfiehlt sich, die Mitarbeiter durch Setzung positiver Anreize wie Aufklärung und leichter Zugänglichkeit des Impfstoffs zur freiwilligen Impfung zu bewegen.