Gestritten hatten der Konzernbetriebsrat und der Arbeitgeber, ein Hersteller im Bereich der Medizintechnik, der zur Unterstützung der Mitarbeiter*innen künstliche Intelligenz als Werkzeug bei der Arbeit einsetzen wollte. Aus diesem Grund veröffentlichte das Unternehmen Richtlinien für die Beschäftigten zur Nutzung von KI-Tools im Intranet und es wurden ChatGPT und andere KI-Systeme zur Nutzung durch die Mitarbeiter*innen eingeführt.
Im konkreten Fall erfolgte die Nutzung der Tools über den Webbrowser und erforderte lediglich die Einrichtung eines Accounts auf dem Server des jeweiligen Herstellers. Die Nutzung der Tools durch die Mitarbeiter*innen war nur möglich, wenn diese eigene, private Accounts anlegten. Das Unternehmen beanspruchte keine Informationen darüber, welche seiner Mitarbeiter*innen einen Account angelegt hatte, wann, in welchem Kontext und wie lange das jeweilige Tool genutzt wurde und welche Informationen dem System preisgegeben wurden.
Der Konzernbetriebsrat untersagte dem Unternehmen den Einsatz von KI-gestützten Tools bis zum Abschluss einer Rahmenkonzernvertriebsvereinbarung zum Thema Künstliche Intelligenz und argumentierte, der Einsatz von beispielsweise ChatGPT verstoße gegen Mitbestimmungsrechte des Konzernbetriebsrats. Diese ergäben sich aus der Richtlinie (§ 87 Abs. 1 BetrVG), die ein Mitbestimmungsrecht in Fragen des Ordnungsverhaltens der Mitarbeiter*innen vorsehe. Durch die Richtlinie würden den Mitarbeiter*innen Vorgaben für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz gemacht, sodass das Ordnungsverhalten betroffen sei.
Darüber hinaus berief sich der Konzernbetriebsrat auf § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, der ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung technischer Systeme vorsehe sowie auf §87 Abs.1 Nr. 7 BetrVG, da die Einführung neuer Systeme zu psychischer Belastung der Mitarbeiter führen könne und verlangte die Beseitigung des eingetretenen mitbestimmungswidrigen Zustands im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem Arbeitsgericht Hamburg.
Das Unternehmen vertrat die Auffassung, dass ein Mitbestimmungsrecht des Konzernbetriebsrats nicht bestehe. Die Nutzung der KI-Tools könne keinen Überwachungsdruck begründen. Nach erfolgter Datenschutz-Folgenabschätzung und den Handlungsempfehlungen in der Richtlinie für den Einsatz der Tools seien datenschutzrechtliche Bedenken ausgeräumt. Die freiwillige Nutzung der KI-Tools zur Arbeitserleichterung für die Mitarbeiter*innen sei im Ergebnis nicht anders zu bewerten als die Nutzung der Google-Suchfunktion.
Das Arbeitsgericht Hamburg folgte dieser Auffassung (Beschluss vom 16. Januar 2024 – Az. 24 BVGa 1/24) und entschied, dass das Unternehmen die Mitbestimmungsrechte des Konzernbetriebsrates nicht verletzt habe. Die Vorgaben zur Nutzung der KI-Tools sei im konkreten Fall dem mitbestimmungsfreien „Arbeitsverhalten“ zuzuordnen, das Unternehmen habe den Mitarbeitern lediglich ein neues Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt. Die Richtlinie beträfe daher eine Anordnung, die die Art und Weise der Arbeitserbringung beträfe, weshalb ein Mitbestimmungsrecht nach §87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht bestehe.
Ein Mitbestimmungsrecht nach §87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sei ebenfalls nicht gegeben, da ein etwaiger Überwachungsdruck nicht vom Unternehmen, sondern wenn überhaupt vom Hersteller der Software ausgehe, der als einziger Zugriff auf die von Mitarbeiter*innen gewonnen Informationen habe. Entscheidend war vorliegend, dass die Beschäftigten zur Nutzung eigene Accounts anlegen mussten und der Arbeitgeber keinerlei Zugriffe hierauf hatte und auch nicht wusste, welche Mitarbeiter*innen einen Account nutzen.
Zu einer Gefährdung für die psychische Belastung gem. §87 Abs, 1 Nr. 7 BetrVG sei nicht konkret vorgetragen, sodass sich auch hieraus kein Mitbestimmungsrecht ableiten ließe.
Achtung: Bei dieser Entscheidung des Arbeitsgerichtes Hamburg ist hervorzuheben, dass das Gericht vermutlich zu einer anderen Einschätzung gekommen wäre, wenn die Mitarbeiter*innen einen Unternehmens-Account nutzen müssten. Sobald ein Arbeitgeber selbst Software im Unternehmen einführt und den Beschäftigten als Arbeitsmittel zur Verfügung stellt, dürfte regelmäßig ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestehen – hier gilt bei KI nichts anderes als bei sonstiger Software. Auch handelt es sich zunächst um eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz. Eine Hauptsacheentscheidung steht aus.