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Ein Beitrag von RAin Elena Kirchberg, BvM München

 

Bisherige Rechtsprechung des BGH

Bisher ist der BGH in allen seinen einschlägigen Urteilen zu dem Schluss gekommen, dass ein Beschuldigter es hinnehmen müsse, dass im Internet bei Eingabe seines Namens alte Berichte über ein gegen ihn geführtes Verfahren auftauchen.

Wesentliche Argumente des BGH waren, dass diese identifizierenden Altmeldungen „keine große Breitenwirkung“ hätten und dass „Geschichte nicht getilgt“ werden dürfe.

Folgen für den Beschuldigten

Dies führt dazu, dass derjenige, gegen den strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden, nicht nur mit den strafrechtlichen Folgen einer möglichen Tat sondern insbesondere auch mit den Folgen der Presseberichterstattung zu kämpfen hat.

Dank Google und den Online-Archiven von Presseunternehmen wird sich der Beschuldigte so nicht mehr von dem Makel eines strafrechtlichen Verfahrens befreien können – ob er nun als verurteilter Straftäter seine Strafe abgesessen hat oder das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren bereits frühzeitig wieder eingestellt wurde.

Neues Urteil des BGH

In einem kürzlich veröffentlichten Urteil des BGH scheint nun ein wenig Bewegung in die Sache zu kommen: Der BGH lässt eine Tendenz erkennen, bei einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts im Vorhalten von identifizierenden Altmeldungen im Internet eine Persönlichkeitsrechtsverletzung zu sehen.

Geklagt hatte ein ehemaliger Profi-Fußballer, der von einer Frau wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs angezeigt worden war. Die Ermittlungen wurden frühzeitig mangels Tatverdachts wieder eingestellt, allerdings hatte die Presse schon über das Verfahren berichtet. Die entsprechenden Presseartikel waren nach wie vor online und konnten bei Namenseingabe des Fußballers aufgefunden werden. Hiergegen wandte er sich.

Fokus auf ursprünglicher Verdachtsberichterstattung

Für den BGH war eine wesentliche Vorfrage, ob die ursprüngliche Berichterstattung zulässig war oder nicht. Hierzu traf der BGH zwei wichtige Aussagen:

1. Allein die bloße Tatsache der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens macht eine Verdachtsberichterstattung noch nicht zulässig, es müssen vielmehr noch weitere Beweistatsachen vorliegen, die für den Wahrheitsgehalt des Verdachts sprechen.

2. Auch nach amtlichen Verlautbarungen z.B. der Staatsanwaltschaft mit Namensnennung des Beschuldigten muss die Presse selbst prüfen, ob nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung die Namensnennung des Betroffenen gerechtfertigt ist.

Ausblick auf die Folgen der Rechtsprechung

Der BGH hat in seinem aktuellen Fall die Sache an das OLG Köln zurückverwiesen. Welches rechtskräftige Urteil am Ende des Verfahrens steht und insbesondere ob und -  wenn ja - welche Maßnahmen das Presseunternehmen in Bezug auf die noch abrufbaren, alten Berichte treffen muss, ist noch offen.   

In einem ähnlich gelagerten Fall hat das OLG Hamburg im Sommer 2015 entscheiden, dass der Betreiber eines Online-Archivs verhindern muss, dass ein identifizierender Pressebericht über ein Ermittlungsverfahren durch Eingabe des Namens des Betroffenen in Internetsuchmaschinen aufgefunden werden kann. Dem Fall des OLG Hamburg ging auch eine Einstellung voraus, allerdings eine Einstellung gegen Auflage (nämlich Zahlung von 40.000).

Recht auf Vergessenwerden?

Ob Verurteilung, Verfahrenseinstellung oder Freispruch – sobald über ein Verfahren (online) berichtet wurde, sind die Folgen für den Beschuldigten weitreichend. Auch wenn der Europäische Gerichtshof in seinem Google-Urteil im Mai 2014 ein „Recht auf Vergessenwerden“ eingeführt hat, gilt dieses nicht automatisch auch bei Online-Archiven. Entscheidend ist immer die Abwägung der wiederstreitenden Interessen.

Eine „Erste Hilfe“ für Betroffene kann das von Google nach der EuGH-Entscheidung eingeführte Formular sein, mit welchem jeder Betroffene bei Google einen Antrag auf Löschung von Suchergebnissen stellen kann, abzurufen unter:

https://support.google.com/legal/contact/lr_eudpa?product=websearch&hl=de

Wenn Google der Anfrage nicht nachkommt oder der Betroffene gegen den Presseartikel an sich – und nicht nur gegen seine Anzeige bei Google – vorgehen möchte, sind die Erfolgschancen bei einer rechtlichen Auseinandersetzung nach der aktuellen Rechtsprechung jedenfalls deutlich verbessert.

Näheres zum Thema in zwei Aufsätzen von Rechtsanwältin Elena Kirchberg:

 „BGH: Online-Archiv bei Verfahrenseinstellung nach § 170 II StPO“, GRUR-Prax 2016, 200 und „Identifizierende Altmeldungen über Strafverfahren in Online-Archiven: Beugt sich das Recht der technischen Entwicklung?“, GRUR-Prax 2013, 237, online beziehbar unter www.beck-online.de

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