Ein Betrag von Rechtsanwalt Kai Bodensiek, Partner BvM Berlin
Gemäß § 11 Jugendmedienschutzstaatsvertrag ("JMStV") ist die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter ("FSM") für die Anerkennung von Jugendschutzprogrammen zuständig. Jugendschutzprogramme, die nach dem JMStV anerkannt sind, gelten als ausreichende Sicherungsmaßnahmen im Internet, um zu verhindern, dass Inhalte, die für Kinder und Jugendliche ungeeignet sind, von diesen aufgerufen werden. Anbieter die ihre Webseiten oder Onlineangebote für ein solches Programm kennzeichnen müssen daher keine weiteren Maßnahmen ergreifen, um den Zugriff durch Kinder und Jugendliche zu verhindern.
Im Jahr 2017 hatte die FSM die Software "Jusprog" als Jugendschutzprogramm anerkannt und diese Anerkennung am 1. März 2019 erneuert. Die KJM hat nun von ihrem Aufsichtsrecht nach § 19b JMStV gebrauch gemacht und die Entscheidung der FSM heute am 15. Mai 2019 aufgehoben.
Laut Pressemeldung der KJM basiert die Entscheidung vorallem hierauf: "Die FSM hätte nach Überzeugung der KJM bei ihrer Eignungsprüfung dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass das Programm „JusProg“ wesentliche Teile der Nutzung von Medieninhalten durch Minderjährige nicht erfasst, da es ausschließlich für Windows-PC mit Chrome Browser ausgelegt ist. Gleichwohl sind Anbieter durch die Eignungsanerkennung aber umfassend privilegiert – sie können ihre mit einer Alterskennzeichnung versehenen Angebote ohne sonstige Schutzvorkehrungen verbreiten, obwohl gerade auf den von Kindern und Jugendlichen meist genutzten mobilen Endgeräten und Betriebssystemen eine Auslesung der Alterskennzeichnung nicht möglich ist."
Aufgrund der Dringlichkeit wurde die sofortige Vollziehung angeordnet, d.h. die Entscheidung der KJM ist sofort wirksam und kann nur durch eine Gerichtsentscheidung außer Kraft gesetzt werden, ein Widerspruch hiergegen genügt nicht.
In Konsequenz heisst dies, dass alle Internetangebote, die bisher eine Kennzeichnung für Jusprog nutzen entweder auf andere technische Mittel, wie eine Personalausweisprüfung zurückgreifen oder aber die Angebote nach Sendezeit differenzieren. Dies dürfte gerade Anbieter wie YouTube oder Twitch und deren Kunden vor erhebliche Probleme stellen, da diese fast durchgängig bisher Jusprog-Kennzeichnungen verwendet haben. Plattformanbieter sollten daher besonders schnell Alternativen, wie portalbezogene Jugendschutzeinstellungen z.B. durch PIN-Eingabe schaffen. Inhalteanbieter sollten zumindest bei solchen Inhalten, die unfraglich erst ab 16 Jahren geeignet sind, zunächst Vorsicht walten lassen. Eine sofortige Lösung dürfte aber kein Anbieter in der Hinterhand haben.
Es ist davon auszugehen, dass gegen die Entscheidung zeitnah Rechtsmittel ergriffen werden. Außerdem hat die KJM den Diensteanbietern Gespräche zur alternativen Umsetzung angeboten. Es ist daher nicht mit sofortigen Bußgeldverfahren durch die Landesmedienanstalten zu rechnen. Die Entscheidung zeigt aber, dass die KJM nicht mehr bereit ist, punktuelle Jugendschutzlösungen zu akzeptieren, die in der Praxis kaum zu einer Einschränkung des Medienkonsums durch Kinder und Jugendliche führt.
Wir werden umgehend berichten, wenn erkennbar wird, wie sich die Rechtslage hier weiter entwickelt.