Title
Cannabis am Arbeitsplatz
Vorab: Wir raten Arbeitgebern zu einem regulatorischen Gleichlauf von Cannabis und Alkohol. So hat sich auch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) klar dahingehend positioniert, Alkohol und Cannabis am Arbeitsplatz gleich zu behandeln. Wir können aber zum aktuellen Stand natürlich keine Gewährt dafür bieten, dass die Rechtsprechung in Zukunft eine andere Linie vorschreibt.
Zum rechtlichen Hintergrund:
Im Cannabisgesetz (CanG) gibt es keine Regelung zum Umgang am Arbeitsplatz. Allerdings ist jeder Arbeitnehmer gem. § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, auf die Interessen und Rechtsgüter des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Hierzu gehört natürlich auch, sich nicht durch die Einnahme von Drogen vor oder während der Arbeitszeit in einen Zustand zu versetzen, der eine ordnungsgemäße Erfüllung der Arbeitsleistung und der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten nicht mehr zulässt.
Ferner sind in den gesetzlichen Regelungen zum Arbeitsschutz Arbeitnehmerpflichten zum Drogenkonsum verankert.
So ist in § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 die Arbeitnehmerpflicht zu sicherheitsgerechtem Verhalten im Betrieb geregelt, die zu den Nebenleistungspflichten nach dem o.g. § 241 Abs. 2 BGB zählt. Danach dürfen Versicherte (Arbeitnehmer) sich nicht durch den Konsum von Alkohol, Cannabis oder anderen berauschenden Mitteln in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können.
Ein Arbeitnehmer verletzt also seine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, wenn er sich mittels Drogen – auch in seiner Freizeit - in einen Zustand versetzt, in dem er seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht erfüllen oder bei Erbringung seiner Arbeitsleistung sich oder andere gefährden kann.
Im Einzelfall genügt aber bereits die abstrakte Gefährdung von Rechten, Rechtsgütern bzw. berechtigten Interessen des Arbeitgebers, auf die der Arbeitnehmer nach § 241 Abs. 2 BGB Rücksicht zu nehmen hat.
Weiterhin verpflichtet der Arbeitsschutz alle Arbeitnehmer nicht nur zu sicherheitsgerechtem Verhalten, sondern auch zur Meldung im Falle des Verstoßes (§ 16 Abs. 1 ArbSchG und § 16 Abs. 1 DGUV Vorschrift 1). Daher sind rauschbedingte Ausfallerscheinungen von Kollegen während der Arbeitszeit unverzüglich - ohne schuldhaftes Zögern - dem zuständigen Vorgesetzten zu melden.
Neben den Arbeitnehmern treffen natürlich auch die Arbeitgeberseite Vorsorgepflichten, die zu den sog. Arbeitsschutzmaßnahmen (§§ 3 ff. ArbSchG, § 618 BGB) zählen. Diese variieren je nach Gefahrenpotenzial und ziehen unterschiedlich strenge Fürsorgepflichten nach sich.
Allen gemein ist zunächst eine Gefährdungsbeurteilung. Hiernach sind Arbeitgeber dazu angehalten, evtl. Gefahrenlagen am konkreten Arbeitsplatz zu eruieren und darauf aufbauend ggf. weitere Schutzmaßnahmen einzuleiten.
Hinsichtlich der Legalisierung von Cannabis wird im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung angeraten, Arbeitnehmer über die Folgen aufzuklären. Hier bietet sich grundsätzlich – wie beim Umgang mit Alkohol - ein Infoblatt an. Leidet ein Arbeitnehmer bekanntlich unter Suchtproblemen, gehen die Schutzpflichten des Arbeitgebers im Einzelfall tiefer und sind gesondert zu beurteilen.
Zu den präventiven Maßnahmen des Arbeitgebers gehört nicht zuletzt die Einführung eines betrieblichen Alkohol- bzw. Cannabis-/Drogenverbots, was arbeits- oder kollektivvertraglich (durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung) verankert sein kann.
Arbeitgeber können folglich grundsätzlich in Ausübung ihres Weisungsrechts nach § 106 S. 2 GewO sowie aufgrund ihrer grundrechtlichen Stellung (Art. 12, 14 GG) ein absolutes oder relatives Rauschmittelverbot am Arbeitsplatz anordnen.
Während ein relatives Verbot an das Maß des Konsums anknüpft und solchen untersagt, der die Ausübung der Arbeitsleistung beeinträchtigt, verpflichtet ein absolutes Verbot zu vollkommener Nüchternheit bei der Arbeitsleistungserbringung. Absolute Verbote sind daher so gestaltet, dass der Konsum während der Freizeit so rechtzeitig beendet werden muss, dass bis zum Arbeitsantritt eine Ausnüchterung erfolgen kann. Diesbezüglich hat das BAG u.a. im Rahmen eines Urteils 1997 darauf hingewiesen, dass sich bei einer Frühschicht (Beginn hier: 5:10 Uhr) die angemessene Zeit der Alkoholabstinenz vor Dienstantritt „auf die gesamte vorangegangene Nacht bezieht“ (BAG, Urteil vom 23.01.1997 - 8 AZR 893/95). Dabei handelte es sich wohlgemerkt um einen Kraftfahrzeugfahrer auf einem Flughafengelände, mithin einen höchst sicherheitsrelevanten Beruf in einem höchst sicherheitsrelevantem Bereich.
Aber der vorzitierte Maßstab vom BAG lässt sich nicht auf sämtliche Berufsgruppen übertragen, da das arbeitgeberseitige Weisungsrecht mit Blick auf die allgemeine Handlungsfreiheit nur in absoluten Ausnahmefällen das Privatleben von Arbeitnehmern tangieren darf. Denn wie bei allen Verboten stellt sich auch in diesem Kontext die Frage der Zulässigkeit bzw. Angemessenheit eines (absoluten) Rauschmittelverbots am Arbeitsplatz.
In sicherheitsrelevanten Bereichen (z.B. Arbeiten mit KFZ, Maschinen, Absturzgefahr, Giftstoffen, Waffen oder bestimmte Berufe wie Piloten, Chirurgen, Apotheker, …) können absolute Verbote zwar bejaht werden. Das gilt u.U. auch für Betriebe mit unterschiedlichem Gefahrenpotential, wenn der Betriebsfrieden und etwaige Sicherheitslücken (z.B. durch kurzfristige Vertretungen) das erfordern. Regeln zu Alkohol-/Cannabis- und sonstigem Drogenkonsum sollten aber darüber hinaus nur relativ, in Bezug auf die Arbeit und nicht die Freizeit aufgestellt werden.
An dieser Stelle der Hinweis, dass, im Falle eines Betriebsrats, dessen Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 1 BetrVG vor der Einführung eines solchen Rauschmittelverbots zu wahren ist, da hierdurch nicht die Arbeitsleistung, sondern primär das Ordnungsverhalten der Mitarbeiter berührt ist.
Sofern die oben genannten Präventionsmaßnahmen nicht fruchten und tatsächlich ein Arbeitnehmer erkennbar außer Stande ist, die Arbeit ohne eine Gefährdung für sich oder andere auszuführen und zudem keine andere Beschäftigungsmöglichkeit besteht, müssen Arbeitgeber nach § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 ein Beschäftigungsverbot gegenüber jenem aussprechen.
Hierfür bedarf es konkreter Anhaltspunkte, die sich aus dem konkreten Verhalten oder Tests ergeben können. Die Erkennbarkeit der Arbeitsunfähigkeit gestaltet sich jedoch in der Praxis oft als schwierig. Denn grundsätzlich ist ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet, an einer verdachtsunabhängigen Drogenkontrolle teilzunehmen unter Berücksichtigung seines Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit und seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Routinemäßige ärztliche Untersuchungen oder Drogenscreenings zur vorbeugenden Klärung von Alkohol- oder Drogenabhängigkeit sind daher in der Regel nicht obligatorisch.
Es kann jedoch durch eine arbeitsvertragliche oder kollektive Regelung vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer solchen verdachtsunabhängigen Untersuchungen zustimmt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Arbeitgeber ein überwiegendes berechtigtes Interesse daran hat, was wiederum für sicherheitsrelevante Berufe u.U. bejaht werden kann, darüber hinaus jedoch i.d.R. unangemessen sein dürfte.
Unabhängig davon kann der Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB dazu verpflichtet sein, an einer verdachtsabhängigen ärztlichen Untersuchung teilzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die die ernsthafte Besorgnis einer Drogenabhängigkeit begründen. Eine solche Untersuchungspflicht besteht insbesondere dann, wenn die Abhängigkeit eine besondere Gefahr für Leben, Gesundheit oder Eigentum des Arbeitgebers darstellt. Dies kann durch regelmäßigen Alkohol- oder Drogenkonsum während der Arbeitszeit oder auffälliges Verhalten des Arbeitnehmers während der Arbeit begründet sein.
Insofern ergeben sich Probleme mit Blick auf das Beschäftigungsverbot insbesondere dann, wenn ein Drogeneinfluss unerkannt bleibt und ursächlich für einen Arbeitsunfall wird. Entscheidend ist in solchen Fällen, ob der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit hätte erkennen müssen. Falls dies zutrifft, verliert der Arbeitnehmer seinen Versicherungsschutz und der Arbeitgeber muss für die entstandenen Kosten aufkommen.
Wird ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen, gebietet es i.Ü. die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, für einen sicheren Heimweg des Arbeitnehmers zu sorgen.
Daneben müssen die "betroffenen" Arbeitnehmer mit solchen Folgen rechnen:
Zunächst verliert ein Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch, wenn dieser selbstverschuldet nicht in der Lage ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen. So auch beim o.g. Beschäftigungsverbot. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung kann jedoch bei einer krankhaften Abhängigkeit mangels Verschuldens fortbestehen.
Darüber hinaus liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, wenn Arbeitnehmer vorsätzlich oder fahrlässig gegen o.g. § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 – ihre Pflicht zu sicherheitsrelevantem Verhalten - verstoßen. Dies kann gem. § 32 DGUV Vorschrift 1 iVm § 209 Abs. 1 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB VII mit einer Geldbuße i.H.v. bis zu 10.000 Euro geahndet werden.
Schließlich kann Drogenkonsum, sofern Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht erfüllt oder die Arbeitsleistungserbringung eine Selbst- oder Fremdgefährdung auslöst, eine Abmahnung, eine verhaltensbedingte (bei Sucht u.U. personenbedingte) ordentliche bzw. unter besonderen Umständen (z.B. bei gefahrgeneigten Tätigkeiten) eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Die Rechtfertigung einer Abmahnung oder Kündigung hängt davon ab, ob Unfallgefahren durch Drogenkonsum drohen, wie schwerwiegend der Verstoß war, ob eine Verhaltensänderung durch Abmahnung zu erwarten wäre oder ob das Vertrauensverhältnis so zerstört ist, dass ein Festhalten am Arbeitsvertrag unzumutbar wäre. Von einer Verdachtskündigung ist in solchen Fällen aufgrund ihrer hohen Hürden allerdings i.d.R. abzuraten.
Sofern die Mitwirkung an einer Untersuchung oder einem Test im Einzelfall berechtigt verpflichtend ist, kann zudem eine Verweigerung - nach einer Abmahnung - zu einer verhaltensbedingten oder sogar ausnahmsweise außerordentlichen Kündigung führen.
Ebenso kommen arbeitgeberseitige Schadensersatzansprüche (z.B. wegen Beschädigungen oder personellen Mehrkosten) unter Berücksichtigung der abgestuften Arbeitnehmerhaftung in Frage.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass aufgrund der Vielfalt sowie Komplexität möglicher Fallgestaltungen in jedem Fall juristische Einzelfallprüfungen erforderlich sind. Das gilt aufgrund ihrer hohen Fehleranfälligkeit auch vor dem Ausspruch einer Abmahnung.