Ein Beitrag von Rechtsanwalt Matthias Walker, BvM Berlin
Zum Jahresende 2017 äußerte sich das Bundeskartellamt in einer vorläufigen Einschätzung zum Geschäftsgebaren Facebooks. Konkret geht es um den Verdacht auf Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch das soziale Netzwerk. Zusammenfassend stellte das Bundeskartellamt fest: „Das Sammeln und Verwerten von Daten aus Drittquellen außerhalb der Facebook Website ist missbräuchlich“.
Grund für die Ermittlungen des Bundeskartellamtes – und nicht lediglich der Datenschutzbehörden – ist der Umstand, dass die Erhebung und Verwendung von Daten in der heutigen datengetriebenen Wirtschaft ein maßgebender wettbewerblicher Faktor darstellt, der für den wirtschaftlichen Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens entscheidend sein kann. Mit seinen etwa 30 Millionen monatlichen Nutzern allein in Deutschland hat Facebook laut Bundeskartellamt einen „überragenden Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten“.
Durch die hohen Nutzerzahlen sieht das Bundeskartellamt Facebook als marktbeherrschend auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke. Ein Wechsel von Nutzern zu einem Konkurrenznetzwerk werde durch Netzwerkeffekte erschwert (sog. Lock-in-Effekte). Marktbeherrschende Unternehmen unterliegen strengeren Pflichten als sonstigen Unternehmen und dürfen ihre Kunden mitunter nicht ausnutzen oder missbräuchliche Vertragskonditionen haben. Ebendiese Vertragskonditionen Facebooks werden vom Bundeskartellamt nunmehr beanstandet.
Um das soziale Netzwerk nutzen zu können, verlangt Facebook die Einwilligung in umfangreiche Erhebungen und Verwertungen von Daten des Nutzers. Dies umfasst auch die Einwilligung in die Sammlung von Daten aus Drittquellen und der Zusammenführung dieser mit Daten aus dem Facebook-Konto des Nutzers. Drittquellen sind alle anderen Webseiten und Apps anderer Betreiber, gleich ob diese Tochterunternehmen Facebooks sind (z.B. Whatsapp und Instagram) oder nicht zu Facebook gehören. Konkret stößt sich das Bundeskartellamt insbesondere am „Gefällt Mir“ bzw. „Like“-Button, dem Button zum „Facebook Login“ und der Verwendung von „Facebook Analytics“. Denn die hierbei erhobenen Daten der Nutzer werden über die jeweiligen Schnittstellen (sog. APIs) bereits beim ersten Aufruf der Drittwebseite bzw. beim Installieren einer App an Facebook weitergeleitet, selbst wenn der Nutzer einem derartigen Tracking in seinen Browsereinstellungen widerspricht oder den eingebetteten Button überhaupt nicht nutzt.
Sollte sich die Ansicht des Kartellamts durchsetzen wäre die Nutzung der Facebook API, des Single Log Ins und des Like/Share Buttons durch Webseitenbetreiber wohl insgesamt in Deutschland rechtswidrig.
Aus Sicht des Bundeskartellamts sind die Nutzungsbedingungen und die Datensammlung von Facebook missbräuchlich, da Facebook als marktbeherrschendes Unternehmen dem Nutzer keine andere Wahl lässt, als dieser umfassenden Sammlung und Auswertung von Daten zuzustimmen bzw. zu dulden, wenn er nicht von der Nutzung ausgeschlossen werden will. Das Bundeskartellamt macht hierbei deutlich, dass es die Art der Sammlung und Verwendung (personenbezogener) Daten außerhalb Facebooks weder nach Datenschutzrecht noch nach Kartellrecht für zulässig hält. Allerdings weist es auch ausdrücklich darauf hin, dass diese Wertung sich nur auf die Erhebung und Verwertung von Daten von Drittwebseiten und Apps außerhalb Facebooks bezieht. Keine Wertung trifft das Bundeskartellamt zur Erhebung und Verarbeitung von Daten, die bei der Nutzung des sozialen Netzwerks selbst anfallen.
Noch handelt es sich um eine vorläufige Einschätzung des Bundeskartellamts. Das soziale Netzwerk hat nun zunächst die Möglichkeit zu dieser Stellung zu nehmen. Ob und wenn ja welche Konsequenzen dieses Verfahren für Facebook haben wird, ist offen. Denkbar ist neben einer Einstellung auch die Abgabe einer Verpflichtungszusage durch Facebook, aber auch eine Untersagung durch das Bundeskartellamt. Unabhängig vom Ausgang zeigt jedoch bereits die Einleitung des Verfahrens selbst, welch hohe wirtschaftliche Bedeutung Daten mittlerweile zukommt. Sahen sich datenbasierte Unternehmen wie Facebook bisher überwiegend mit datenschutzrechtlichen Fragen konfrontiert, erlangt die umfangreiche Datensammlung und -verwertung nunmehr auch wettbewerbsrechtliche Relevanz.
Eine abschließende Entscheidung im Falle Facebooks durch das Bundeskartellamt soll nicht vor Frühsommer dieses Jahres ergehen, könnte aber auch erhebliche Auswirkungen auf Webseitenbetreiber haben, die Facebook zur Kundenbindung oder Kundengewinnung nutzen. Sollte sich die Ansicht des Kartellamts durchsetzen wäre die Nutzung der Facebook API, des Single Log Ins und des Like/Share Buttons wohl insgesamt in Deutschland rechtswidrig.