Ein Beitrag von RA Marcus Sonnenschein, Partner BvM Berlin.
Das Bundessozialgericht (BSG) verhandelte am 27. April 2016 in Kassel den sozialversicherungsrechtlichen Status von Synchronsprechern (BSG - B 12 KR 15/14 R - und - B 12 KR 17/14 R -). Entgegen der Hoffnung der Parteien, der beteiligten Synchronstudios und der anwesenden Branchenvertreter wird der 12. Senat des BSG in beiden anhängigen Fälle noch kein Urteil fällen, sondern diese zunächst dem großen Senat des Bundessozialgerichts vorlegen, weil der 6. Senat des BSG eine divergierende Auffassung zu den formalen Voraussetzungen einer Revision vertritt.
Jedoch stellte der 12. Senat bei der Verkündung seiner Entscheidung klar, dass er in beiden anhängigen Fällen davon ausgeht, dass die Kläger nicht als Selbstständige, sondern als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte im Sinne des § 7 SGB IV anzusehen sind. Nach einer mehrstündigen Anhörung der Parteien und Beteiligten gelangte das Gericht zu der Ansicht, dass trotz einer im Kern künstlerischen Tätigkeit in der Gesamtbetrachtung die Kriterien, die für ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis sprechen, überwiegen. Dies gilt insbesondere in der Parallelwertung zur sozialversicherungsrechtlichen Bewertung von Schauspielern. Zwar betonte das BSG die Einzelfallbezogenheit der angekündigten Entscheidung und wies darauf hin, dass grundsätzlich andere Konstellationen einer selbstständigen Synchronsprechertätigkeit denkbar sind. Es ließ jedoch offen, an welche Kriterien diese geknüpft sein müssen (z.B. KSK-Mitgliedschaft, andere selbstständige Sprechertätigkeiten, etc.). Vielmehr liegt – ähnlich wie bei Schauspielern – eine weisungsgebundene Tätigkeit der Synchronsprecher vor. Näheres wird sich erst aus den in den nächsten Wochen vorliegenden Entscheidungsgründen zum Vorlagebeschluss ergeben. Im Ergebnis bestätigt das BSG insoweit die mit der Revision angegriffenen Entscheidungen des LSG Berlin-Brandenburg.
Die Konsequenz dieser Statusentscheidung ist, dass das Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 30. September 2005 und das daraus entwickelte sog. „16-Fälle-Modell“ zur Abrechnung von Synchronsprecherleistungen hinfällig ist. Die anwesenden Vertreter der Sozialversicherungen äußerten sich am Rande der Verhandlung noch zurückhaltend und werden zunächst die Entscheidungsgründe abwarten. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass diese dann zeitnah reagieren werden. Jedenfalls ist die auf den Rundschreiben basierende Abrechnung nunmehr obsolet.
Ob jedoch Synchronsprecher als sog. „unständige Beschäftigte“ im Sinne der § 27 Abs. 3 SGB III, § 232 Abs. 3 SGB V, § 163 Abs. 1 SGB IV abzurechnen sind, ließ das BSG ausdrücklich offen. Dies ist nach Ansicht des BSG immer eine Frage des konkreten Einzelfalls und hängt von individuellen Kriterien insbesondere in der Person des Beschäftigten ab (Synchrontätigkeit als „Berufsausübung“, dauerhafte/kurzfristige Beschäftigung, etc.). Insoweit kündigte das BSG an, beide noch anhängige Verfahren nach Entscheidung des großen Senats ggf. an das LSG Berlin-Brandenburg zur weiteren Sachverhaltsermittlung zurück zu verweisen.
Auch wenn damit die endgültigen Urteile in den beiden Fällen erst in vielen Monaten vorliegen werden, wird die jetzige Entscheidung des 12. Senats voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf die jetzige Abrechnungspraxis haben.