Ein Beitrag von Matthias Walker, Rechtsanwalt BvM Berlin.
Nun ist es da, das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz, kurz UrhWissG. Hinter dem etwas sperrig klingenden Namen versteckt sich eine Anpassung des Urheberrechtsgesetzes (UrhG), die bereits seit längerer Zeit – mitunter heftig – diskutiert und nunmehr am 30.06.2017 vom Bundestag beschlossen wurde. Welche Änderungen bringt das UrhWissG mit sich?
URHEBERRECHTLICHE SCHRANKEN – WOZU?
Das Urheberrecht sieht grundsätzlich einen umfassenden Schutz für den Urheber von Werken jedweder Art vor. Dieses Urheberrecht schützt den Urheber nicht nur, sondern gibt ihm auch ein Bouquet an Rechten zur Verwertung seines Werkes an die Hand. Damit Lehre, Unterricht und wissenschaftliche Forschung aber hierdurch keine unangemessene Einschränkung bei der Verwendung benötigter Materialien (z.B. wissenschaftlicher Artikel) erfahren, sieht das UrhG grundsätzlich in diesem Bereich sog. Schranken vor, die das Urheberrecht eingrenzen.
LEHRE UND FORSCHUNG
Diese Schranken waren bisher im UrhG verteilt und werden durch das neue UrhWissG vereinheitlicht. Zudem wird die Nutzung urheberrechtlich geschützten Materials in Lehre und Wissenschaft teils vereinfacht, teils auch beschränkt. Grundsätzlich bedürfen die begünstigten Personen aus Lehre und Forschung keine vertragliche Lizenz des entsprechenden Urhebers.
Wesentliche Änderung ist hierbei die ausdrückliche Normierung des Umfangs der lizenzfreien Nutzung urheberrechtlicher Werke in Unterricht, Lehre und wissenschaftlicher Forschung. Bislang war es zulässig, „kleine Teile“ eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften zur Veranschaulichung im Unterricht sowie für die eigene wissenschaftliche Forschung öffentlich zugänglich zu machen.
An Stelle dieser doch merkbar unbestimmten Regelung wird für den Unterricht sowie zur nicht kommerziellen wissenschaftlichen Forschung nunmehr eine Nutzung von bis zu 15 Prozent eines Werkes ermöglicht. Die im Gesetzesentwurf ursprünglich vorgesehene vollständige Nutzung von Abbildungen und Beiträgen aus Zeitungen und Zeitschriften wurde verworfen. Lediglich Abbildungen und Beiträge aus Fachzeitschriften und wissenschaftlichen Zeitschriften können vollständig genutzt werden.
BIBLIOTHEKEN
Bibliotheken erhalten nunmehr die Möglichkeit in ihren Räumlichkeiten Terminals einzurichten, an denen Nutzer auf Werke aus dem Bibliotheksbestand zugreifen können. Hierbei kann den Nutzern gestattet werden, pro Sitzung Vervielfältigungen von bis zu 10 Prozent eines Werkes sowie von Abbildungen und Beiträgen aus Fachzeitschriften und wissenschaftlichen Zeitschriften zu erstellen. Diese können auf Einzelbestellung der Nutzer durch die Bibliothek an diese übermittelt werden (z.B. per E-Mail).
TEXT UND DATA MINING
Durch das UrhWissG wird nunmehr auch das unkommerzielle Text und Data Mining, also auf Algorithmen basierende automatisierte Analyseverfahren. Das Text Mining wird etwa zur inhaltlichen Textanalyse in den Sozialwissenschaften herangezogen. Das UrhWissG sieht die Möglichkeit vor, eine Vielzahl urheberrechtlicher Werke automatisiert und systematisch zu vervielfältigen um einen sog. auszuwertenden Korpus zu erstellen und diesen im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung Dritten öffentlich zugänglich zu machen.
KRITIK AM GESETZ
Während aus Lehre und Forschung noch eine positive Resonanz auf das UrhWissG zu entnehmen ist, stoßen die vorgesehenen Schrankenregelungen sowie das Vergütungsmodell für Urheber insbesondere bei Verlagen teils auf massive Kritik. Seitens des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V. war von einer Enteignung der Bildungs- und Wissenschaftsverlage und einer Verfassungswidrigkeit des Gesetzes die Rede.
Diese Kritik liegt zum einen in der Befürchtung begründet, dass die Nutzungsbegrenzungen von 15 bzw. 10 Prozent eines Werkes durch Nutzer umgangen werden und Werke in Gänze kostenlos z.B. über das Internet verbreitet werden könnten. Zum anderen wird das vom Gesetz vorgesehene Vergütungsmodell kritisiert. Zwar findet sich im UrhWissG eine ausdrücklich festgeschriebene Pflicht zur angemessenen Vergütung für die oben genannten Nutzungen. Es handelt sich hierbei aber nicht um Einzelvergütungen (z.B. pro Abruf eines Artikels), sondern um Pauschalen oder Berechnungen, die auf repräsentativen Stichproben der Nutzung beruhen. Die Vergütung wird auch nicht von den Verlagen selbst, sondern nur durch eine Verwertungsgesellschaft, wie etwa die VG Wort, geltend gemacht werden können. Dies mag zunächst nicht problematisch erscheinen, da etwa die VG Wort seit langem mit der Verteilung von Vergütungen zwischen Autoren und Verlagen betraut ist. Allerdings wurde diese Verteilung erst jüngst durch ein Urteil des BGH unterbunden, mit der Folge, dass Verwertungsgesellschaften Einnahmen nur bei Vorliegen der Zustimmung der jeweiligen Autoren an die Verlage ausschütten dürfen. Demnach herrscht bei den Verlegern eine entsprechend große Verunsicherung, ob die Vergütung, die ihnen das UrhWissG an sich zuspricht, auch tatsächlich bei ihnen ankommt.
AUSBLICK
Wie sich die neuen Regelungen des UrhWissG auswirken werden, wird sich zeigen. Auffällig ist bereits jetzt die noch kurz vor Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag aufgenommene Befristung der oben erläuterten Schrankenregelungen zu Nutzungen in Unterricht, Wissenschaft und Institutionen. Sie sollen nur bis 2023 gelten. Ein Jahr davor sollen ihre Auswirkungen evaluiert werden.
Das UrhWissG tritt am 1. März 2018 in Kraft.