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Ein Beitrag von Kai Bodensiek, Partner BvM Berlin

 

In den sozialen Netzwerken hat eine neue Fotoapp namens "Prisma" auch dank eines Beitrags von Bild-Chef Kai Dieckmann auf Twitter eine rasante Verbreitung gefunden. Viele Profilbilder in sozialen Netzwerken gleichen inzwischen kunstvoll gestalteten Kirchenfenstern. Dafür müssen die Nutzer der App, die im deutschen iTunes Store erhältlich ist, lediglich auf den Server des Herstellers hochladen und erhalten ein entsprechend verarbeitetes Bild zurück. Es mehren sich allerdings auch kritische Stimmen, denn bei der Lektüre der Nutzungsbedingungen der App fällt auf, dass sich der russische Anbieter hier in erheblichem Umfang kostenlos zu verschiedenen nicht eindeutigen Zwecken der Bilder der Nutzer bedienen möchte und damit ggfs. auch Geld verdienen will. So räumt der Nutzer dem Betreiber die weltweiten, übertragbaren und kostenlosen Nutzungsrechte an den Bildern ein. Mit solchen Regelungen ist Prisma allerdings nicht allein.

Ein zweites aktuelles Phenomän ist die App "Pokemon Go", bei der man mittels seines Handys Strassen, Plätze und Gebäude und Parks nach Pokemon absuchen kann. Die Kamera des Handys und das eingebaute GPS macht dabei die in der echten Welt natürlich unsichtbaren Pokemon sichtbar, so dass der Spiele diese fangen und trainieren kann. Dies nennt sich Augmented Reality und kaum eine Webseite oder eine Zeitung kommt die Tage ohne einen Bericht über die App aus. 

Durch die ständige Ortung per GPS und der Meldung der Position an den Hersteller des Spiels sammelt das Spiel eine Vielzahl von Daten ein, die zum Teil vollständige Bewegungsprofile ermöglichen. Das wird zurecht auch kritisch gesehen. Der Hersteller schreibt in seinen Datenschutzbedingungen, dass er mit "Behörden" (welchen auch immer) Daten austauschen wird, wenn dies in seinem Interesse liegt und ansonsten die Daten auch für die Erstellung von (angeblich nicht personalisierten) Marktverhaltensstudien und Bewegungsprofilen genutzt wird. Wer den Einfallsreichtum der sozialen Medien kennt, darf schon jetzt befürchten, dass eine Zusammenführung von Daten möglicherweise einfacher sein könnte, als erwartet. Fairerweise muss man allerdings anmerken, dass die App offiziell auch noch nicht in Deutschland veröffentlich ist und vielleicht solche Aussagen für den europäischen Markt auch noch angepasst werden.

Tatsächlich dürften solche Nutzungsbedingungen, wie wir sie hier vorfinden, einer Prüfung nach deutschem Recht aber kaum Stand halten. Die Entscheidung des Kammergerichts aus dem Jahr 2014 hinsichtlich der Unwirksamkeit der Nutzungsbedingungen von Facebook (auch ohne Widerspruch) in Deutschland dürfte hier Vorbildcharakter haben. 

Deutsches Verbraucherschutzrecht findet nach den geltenden EU-Verordnungen auch dann Anwendung, wenn die Parteien eine abweichende Rechtswahl getroffen haben, soweit sich der Unternehmer gezielt an deutsche Verbraucher richtet. Hinweise dafür sind vor allem die Verwendung der deutschen Sprache aber auch die ausdrückliche Freigabe in einem für Deutschland vorgesehen Marktplatz. Die Veröffentlichung im deuschen iTunes Store dürfte hier ausreichend sein.

Findet deutsches Verbraucherschutzrecht aber Anwendung, dann sind solche Klauseln unwirksam, die von einem gesetzlichen Leitbild in einer unangemessenen Form zu Lasten der Verbraucher abweichen. Ein solches Leitbild ist z.B. die Aussage des Urhebergesetzes, dass der Urheber angemessen zu vergüten ist. Eine pauschale kostenlose Lizenzerteilen, bei der der Verbraucher kaum absehen kann, wofür seine Werke eigentlich verwendet werden, verstößt nach Ansicht des Kammergerichts im Fall Facebook zweifellos gegen dieses Leitbild. Anders dürfte es im Fall Prisma auch nicht aussehen.

Noch eindeutiger ist der Fall bei einer pauschalen Einwilligung in die Nutzung von personenbezogenen Daten ohne eine entsprechende Zweckbindung und hinreichende Aufklärung der Nutzer über die tatsächlich beabsichtige Nutzung. Auch eine solche Klausel verstößt gegen ein gesetzliches Leitbild, nämlich dem dass eine Einwilligung in die Datenverarbeitung stets eine eindeutige Zweckbestimmung und Aufklärung des Betroffenen voraussetzt. Wir hatten dazu schon einmal im Zusammenhang mit Windows 10 berichtet. Wenn also von einer unklaren Weitergabe an Behörden oder der Nutzung für nicht-personalisierte Profile die Rede ist, wird dies ebenfalls nicht dem strengen Maßstab des Datenschutzrechts gerecht.

Rein rechtlich betrachtet, dürften also derartige Regelungen heute in Deutschland nicht mehr anzutreffen sein. Jeder einzelne Nutzer könnte vor deutschen Gerichten die Nutzung seiner Daten oder seiner Bilder vorgehen. Praktisch geschieht dies natürlich nur sehr selten. Sind die Regelungen in den Nutzungsbedingungen nämlich unwirksam, dann fallen diese vollständig weg und werden nicht etwa durch das gerade noch Wirksame ersetzt, wie es einige AGB vorsehen. Verbraucherschutzverbände und Datenschützer gehen immer häufiger gegen deutsche Unternehmen vor, die diese Spielregeln missachten. Eine rechtskonforme Ausgestaltung der Nutzungsbedingungen und das gewünschte wirtschaftliche Ziel sind oft nur schwer miteinander zu vereinbaren. Hier bedarf es einer engen Zusammenarbeit zwischen Rechtsberatern und Management, um zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen.

Dass es dennoch und dann auch noch bei so prominenten Anbietern der Fall zu so offensichtlichen Rechtsverstößen kommt, zeigt, dass im Bereich der Durchsetzung des Verbraucherschutzes noch viele Lücken zu füllen gibt. Man darf die Frage stellen, ob deutsche Datenschutzbehörden in Zukunft mit deutlich mehr Personal ausgestattet werden müssen. Im internationalen Wettbewerb stellt es einen klaren Wettbewerbsnachteil dar, wenn sich ein deutscher Anbieter an die strengen, deutschen Regeln hält, ein ausländischer Anbieter jedoch keine Konsequenzen fürchten muss. Rechtspolitisch wie auch unter den Gesichtspunkten der Störerhaftung wird man ggfs. wohl eine Inanspruchnahme der Plattformbetreiber, über die diese Apps vertrieben werden, in Erwägung ziehen müssen, gerade dann, wenn deutsche Urteile am Zielort, wie Russland, prinzipiell nicht vollstreckbar sind.

 

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