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Das Nachweisgesetz (NachwG) definiert, welche Inhalte ein Arbeitsvertrag mindestens haben und dass Arbeitnehmer eine schriftliche Fassung seines Arbeitsvertrags erhalten muss. Ein Verstoß gegen das NachwG blieb bislang (fast) folgenlos. Das ist der Grund, weshalb das Gesetz niemanden interessierte. Es lag im Dornrößchenschlaf.

Jetzt wird es wach geküsst: Die europäischen Richtlinie 2019/1152 wird durch das Gesetz über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen umgesetzt (Regierungsentwurf unter: https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/umsetzung-der-arbeitsbedingungenrichtlinie-im-zivilrecht.html). Die bisherigen Regelungen des NachwG und einiger anderer Gesetze werden erweitert. Das allein wäre nur eine kleine Meldung wert. Neu ist allerdings: Bei Verstößen droht ein Ordnungsgeld von bis zu € 2.000.

Arbeitgeber sollten daher ihre Arbeitsvertragsmuster schnell anpassen und ihr Einstellungsprozedere gesetzeskonform gestalten. Denn das neue Gesetz soll ab dem 1. August 2022 gelten. Arbeitsverträge, die vorher abgeschlossen wurden, bleiben unberührt, es sei denn, der Arbeitnehmer verlangt eine der neuen Rechtslage angepasste Fassung seines Arbeitsvertrags (bisher § 4 und neuer § 5 NachwG).

Was ist neu?

Das NachwG wird neu auf alle Arbeitsverhältnisse angewendet, egal wie kurz sie sind (§ 1 Satz 1 NachwG). Bisher waren Aushilfen bis zu einem Monat ausgeschlossen.

Bei der Neugestaltung von Arbeitsverträgen sind folgende Regelungen zu beachten, die alle in § 2 Abs. 1 Satz 2 NachwG eingefügt werden:

  • Frist: Der im Original vom Arbeitgeber unterschriebene Arbeitsvertrag muss dem Arbeitnehmer spätestens am ersten Arbeitstag ausgehändigt werden. Bislang hatte der Arbeitgeber dafür einen Monat Zeit. Für einige Arbeitsvertragsbedingungen gilt eine längere als die Tagesfrist (neuer Satz 3). Das ist allerdings völlig praxisfern. Denn wer händigt einem Arbeitnehmer einen Teil des Arbeitsvertrags aus und reicht den zweiten Teil später nach? 

Änderungen wesentlicher Vertragsbedingungen müssen den Arbeitnehmern spätestens an dem Tag mitgeteilt werden, an dem sie wirksam werden. Dies gilt nicht für in Bezug genommene Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen oder kirchliche AVR ändern (§ 3 NachwG).

  • Form: Schon nach der bisherigen Rechtslage müssen Arbeitsverträge auf Papier gedruckt und den Arbeitnehmern unterschrieben ausgehändigt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG). Die elektronische Form ist ausdrücklich ausgeschlossen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 NachwG). Ein Vertragsabschluss per Email, als PDF oder per Fax ist unzulässig. Wahrscheinlich gibt es wenige andere Rechtsnormen in Deutschland, gegen die häufiger verstoßen wurde. Bislang war das folgenlos. Jetzt kann ein Bußgeld von € 2.000,- drohen. „Kann“ deshalb, weil aus dem Wortlaut des und der Gesetzesbegründung zum neuen § 4 NachwG nicht eindeutig hervor geht, ob das Bußgeld auch bei einem Verstoß gegen das Schriftformerfordernis verhängt werden darf.
  • Probezeit: Wenn eine Probezeit gelten soll, muss deren Dauer bestimmt werden (neue Ziff. 6). Ein Verweis auf die gesetzliche Regelung in § 622 Abs. 3 BGB, nach der die Probezeit maximal sechs Monate betragen darf, genügt nicht.

Soll ein befristeter Arbeitsvertrag kündbar sein, muss dies bereits nach aktuellem Recht ausdrücklich vereinbart werden (§ 15 Abs. 3 TzBfG). Die verkürzte Kündigungsfrist von zwei Wochen gilt nur, wenn eine Probezeit im Arbeitsvertrag aufgenommen ist. Gem. § 622 Abs. 3 BGB darf die Probezeit maximal 6 Monate dauern. Der neue § 15 Abs. 3 TzBfG bestimmt, dass die Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis „im Verhältnis zu der zu erwartenden Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen“ muss. Daher gilt: Je kürzer die Befristung und je einfacher die Arbeit, desto kürzer die Probezeit. Es bleibt aber dabei, dass der Arbeitgeber in den ersten sechs Monaten frei kündigen darf. In der sechsmonatigen Wartezeit ist das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar. Daran ändert das neue Gesetz nichts.

  • Befristungen: Der Arbeitsvertrag muss das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer der Beschäftigung angeben (Ergänzung von Nr. 3). 
  • Vergütung: Wegen der neuen Ziff. 7 muss angegeben werden
    • die Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts 
    • Vergütung von Überstunden, Zuschläge, Zulagen, Prämien
    • Fälligkeit der Gehaltsbestandteile
    • Art der Auszahlung
  • Arbeitszeit: Nach der neuen Ziff. 8 sind die Arbeitszeit, Ruhepausen und -zeiten sowie bei Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus sowie die Voraussetzungen für Schichtänderungen anzugeben. Hier genügt ein Verweis auf Regelungen in Tarifverträgen, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, wenn es solche gibt (neuer Abs. 4). Gelten „nur“ die gesetzlichen Regelungen, muss der Arbeitsvertrag alles ausdrücklich regeln. Ein schlichter Verweis auf die Gesetzesnormen genügt nicht.
  • Überstunden: Die neue Nummer 9 bestimmt, dass – wenn der Arbeitnehmer zur Leistung von Überstunden verpflichtet werden soll – deren Anordnung und Voraussetzungen im Arbeitsvertrag aufgenommen werden müssen.
  • Fortbildung: Sofern der Arbeitgeber Fortbildungen anbietet, muss im Arbeitsvertrag aufgenommen werden, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf hat (neu Nr. 12).
  • Betriebliche Altersversorgung (bAV): Bietet der Arbeitgeber eine bAV an, sind der Name und die Adresse des Versorgungsträgers im Arbeitsvertrag aufzunehmen, es sei denn, der Versorgungsträger ist seinerseits zu dieser Information verpflichtet (Nr. 13).
  • Kündigung: Nach der neuen Nr. 14 muss – neben den Kündigungsfristen, die bislang schon angegeben werden mussten (hier ein Verweis auf § 622 BGB ist erlaubt) – auf „das von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis“ für Kündigungen (§§ 623, 126 BGB), aber auch auf die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage hingewiesen werden. Das Gesetz ist an dieser Stelle versöhnlich: Sofern die Aufklärung über die Klagefrist nicht ordnungsgemäß sein sollte, muss der Arbeitnehmer dennoch rechtzeitig Klage erheben. Er kann sich nicht darauf berufen, die Klagefrist wegen der falschen Angabe im Arbeitsvertrag verpasst zu haben.
  • Verweis auf kollektive Vereinbarungen: Die neue Nr. 15 verlangt, dass der Arbeitsvertrag auf anwendbare kollektive Regelungen (Tarifverträge, Betriebs-/ Dienstvereinbarungen, kirchliche AVR) verweist.
  • Arbeiten im Ausland: Soll die Arbeit vier Wochen am Stück oder länger im Ausland erfolgen (in einem oder verschiedenen Staaten), muss dem Arbeitnehmer vorher der Arbeitsvertrag mit folgenden zusätzlichen Angaben übergeben werden: Mitteilung, in welchem Land und für welche Dauer im Ausland gearbeitet werden soll, ob der Arbeitnehmer zurückkehrt und zu welchen Bedingungen sowie in welcher Währung er entlohnt wird. Bei Entsendungen innerhalb der EU nach der Entsenderichtlinie muss zusätzlich über den Mindestlohn im Einsatzland und den Link zur einzigen offiziellen nationalen Website zu Arbeitnehmerentsendungen im Einsatzstaat informiert werden (§ 2 Abs. 2 NachwG). 
  • Bußgeld: Nach dem neuen § 4 NachwG kann zu einer Geldbuße von maximal € 2.000,- verpflichtet werden, wer
    • die „wesentlichen Vertragsbedingungen nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig aushändigt“ 
    • die Regelungen zum Arbeiten im Ausland „nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig aushändigt“ oder
    • eine wesentliche Änderung von Vertragsbedingungen „nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig aushändigt“.
  • Die Ordnungswidrigkeit kann nur vorsätzlich begangen werden (§ 10 OWiG). Vorsatz heißt Wissen und Wollen. Das Problem: Arbeitgebern wird unterstellt, dass sie von neuen Gesetzen wissen. Wer dennoch seine Arbeitsverträge unverändert lässt und nicht der neuen Gesetzeslage anpasst, handelt mit bedingtem Vorsatz und ist nicht nur grob fahrlässig.

Was ist noch neu?

Außerdem sind folgende Regelungen in folgenden Gesetzen neu (die Änderungen im Anästhesietechnische- und Operationstechnische-Assistenten-Gesetz, Notfallsanitätergesetz, PTA-Berufsgesetz, die Handwerksordnung und das Seearbeitsgesetz behandelt dieser Betrag nicht):

  • Änderung der Arbeitszeiten: § 7 Abs. 2 TzBfG verpflichtet Arbeitgeber jetzt schon, mit Arbeitnehmern deren Wunsch auf Änderung der Arbeitszeiten (Dauer/Lage) zu erörtern. Jetzt muss der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer, der solch einen Wunsch geäußert hat, informieren, wenn ein Arbeitsplatz entsprechend des Wunsches der Arbeitnehmers neu besetzt werden soll. Neu ist auch, dass der Arbeitnehmer seinen Wunsch dem Arbeitgeber in Textform anzeigen kann und der Arbeitgeber dann eine „begründete Antwort“ in Textform schuldet (§ 7 Abs. 3 TzBfG). Anders als bei einem Teilzeitverlangen (§ 8 Abs. 5 TzBfG), sieht der neue § 7 Abs. 3 TzBfG keine Rechtsfolge vor, wenn der Arbeitgeber nicht, nicht in Textform oder verspätet auf den Wunsch des Arbeitnehmers reagiert. Deshalb werden Arbeitnehmer sich (sehr sicher) nicht auf einen frei werdenden Arbeitsplatz einklagen können mit dem Argument, der Arbeitgeber habe gegen § 7 Abs. 3 TzBfG verstoßen. Die Gerichte könnten allerdings eine Schadensersatzpflicht anerkennen.
  • Wunsch nach Entfristung: § 18 TzBfG sieht aktuell vor, dass befristete Arbeitnehmer über freie, unbefristete Arbeitsplätze informiert werden müssen. Der neue § 18 Abs. 2 TzBfG sieht – so wie gerade für Änderungswünsche hinsichtlich von Arbeitszeiten – vor, dass Arbeitnehmer einen Entfristungswunsch in Textform anzeigen dürfen. Der Arbeitgeber schuldet dann innerhalb eines Monats in Textform eine „begründete Antwort“.
  • Arbeit auf Abruf: Nach der neuen Nr. 9 muss im Arbeitsvertrag definiert sein, dass die Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen ist, wie viele Stunden mindestens zu vergütend sind, welcher Referenzrahmen für die Arbeitstage besteht und mit welcher (Mindest-)Frist die Arbeit abgerufen werden darf. All das ist in § 12 TzBfG geregelt. Der Arbeitsvertrag muss dennoch die genannten Regelungen enthalten und darf allein auf das Gesetz verweisen.
  • § 12 TzBfG wird um einen neuen Absatz 3 ergänzt, der vorsieht, dass der Arbeitgeber für die Abruf-Arbeit „den Zeitrahmen, bestimmt durch Referenzstunden und Referenztage“ festlegen muss.
  • Berufsausbildung: Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) wird dahin geändert, dass die Namen und Anschriften der Vertragsparteien bzw. bei Minderjährigen, der gesetzlichen Vertreter, die Ausbildungsstätte und externe Ausbildungsmaßnahmen sowie die Regelungen zur Höhe und Zusammensetzung der Vergütung sowie von Überstunden im Ausbildungsvertrag aufgenommen werden müssen. Verstöße sind ebenfalls bußgeldpflichtig (max. € 2.000,-).
  • Arbeitnehmerüberlassung: Leih-Arbeitnehmer können gemäß dem neuen § 13a AÜG ihren Wunsch, vom Entleiher übernommen zu werden, in Textform anzeigen. Der Entleiher muss dann binnen eines Monats in Textform begründet antworten. Ein Verstoß kann mit einem Bußgeld von bis zu € 2.000,- geahndet werden.
  • Pflichtfortbildungen: Muss der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern aufgrund eines Gesetzes oder einer kollektiven Vereinbarung Pflichtpraktika anbieten, finden diese während der Arbeitszeit und auf Kosten des Arbeitgebers statt (§ 111 GewO).
  • Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG): Das AEntG wendet sich an Arbeitgeber, die Arbeitnehmer aus dem Ausland nach Deutschland entsenden bzw. hier beschäftigen. Für bestimmte Branchen gelten die (allgemeinverbindlichen, deutschen) Tarifverträge. Damit soll Lohndumping verhindert und sicher gestellt werden, dass Arbeitnehmer dieser Branchen mindestens nach den Tarifbedingungen vergütet und beschäftigt werden, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber in Deutschland oder im Ausland ansässig ist bzw. die Arbeitsverträge dem deutschen oder einem ausländischen Recht unterliegen.

Gem. § 23a AEntG wurden Stellen geschaffen, um nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer in arbeits- und sozialrechtlichen Themen zu beraten. Nach dem neuen § 23c AEntG muss ein inländischer Arbeitgeber, der einen Unionsbürger mit gewöhnlichem Aufenthalt / Wohnsitz im Ausland zur Arbeit in Deutschland anwirbt, diesen spätestens am ersten Arbeitstag über die Beratungsstellen gem. § 23a AEntG in Textform aufklären. Wird der ausländische Arbeitnehmer vermittelt, trifft den Vermittler die Aufklärungspflicht (§ 299 SGB III). Der Arbeitgeber ist dann nicht zur Information verpflichtet.

Was bedeutet das für die Praxis?

Jeder Arbeitsvertrag muss alle Angaben aus dem neuen NachwG enthalten. Jeder Arbeitnehmer muss spätestens am 1. Tag der Arbeitsleistung den vom Arbeitgeber unterschriebenen Vertrag im Original erhalten. Die elektronische Form ist ausgeschlossen.

Arbeitsverträge, die nicht dem NachwG entsprechen, weil sie nicht alle „wesentlichen Vertragsbedingungen“ enthalten oder per Email, als PDF-Dokument oder auch mündlich abgeschlossen wurden, sind zwar wirksam. Einzelne Vertragsklauseln, die für Arbeitnehmer nachteilhaft sind, können aber unwirksam sein. Und der Arbeitgeber begeht eine Ordnungswidrigkeit: Er kann – bei einer Anzeige oder behördlichen Prüfung– mit einem Ordnungsgeld von bis zu € 2.000,- bestraft werden.

Wohin geht die Entwicklung?

Die bisherige Rechtsprechung zum NachwG ist sehr überschaubar: Verstöße gegen das Gesetz hatten bislang fast keine Rechtsfolgen. Dementsprechend wurde das NachwG fast nicht beachtet. Ob sich das künftig ändern und das neue Gesetz die Praxis nachhaltig beeinflussen wird, bleibt abzuwarten.

In jedem Fall stellt die neue Strafandrohung eines Ordnungsgeldes von maximal € 2.000,- ein greifbares Risiko für jeden Arbeitgeber dar. Denn es bedarf nur einer (anonymen) Anzeige oder einer behördlichen Prüfung und das Verfahren nimmt seinen Gang.

Hinweis: Dieser Bloggbeitrag basiert auf dem Gesetzentwurf, der vom Bundeskabinett, aber noch nicht vom Parlament verabschiedet wurde. Sofern es (unerwartete) Änderungen geben sollte, veröffentlichen wir dazu einen weiteren Bloggbeitrag.

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