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Regalsystem ein Werk der angewandten Kunst?

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Bei dem USM Haller Regalsystem werden hochglanzverchromte Rundrohre mittels kugelförmiger Verbindungsknoten zu einem Gestell zusammengesetzt. In das Gestell können verschiedenfarbige Verschlussflächen aus Metall (sogenannte Tablare) eingesetzt werden. Die so geschaffenen Korpusse können beliebig kombiniert und über- oder nebeneinander angebaut werden. Konektra bietet über ihren Online-Shop Ersatzteile und Erweiterungsteile für das USM Haller Regalsystem an, die in der Form und Farbe überwiegend den USM-Komponenten entsprechen, jedoch zu einem deutlich günstigeren Preis angeboten werden. Außerdem bietet Konektra ihren Kunden einen Montageservice an, bei dem die gelieferten Einzelteile beim Kunden zu kompletten Möbelstücken zusammengefügt werden.

USM ist der Ansicht, bei dem USM Haller Regalsystem handele es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst, jedenfalls aber um ein lauterkeitsrechtlich gegen Nachahmung geschütztes Leistungsergebnis. Konektra plagiiere das USM Haller Regalsystem.

USM hat Konektra auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, den Ersatz von Abmahnkosten und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. USM stützt die Klageanträge in erster Linie auf Urheberrecht, hilfsweise auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz.

Das Landgericht Düsseldorf hatte in dem USM Haller Regalsystem ein urheberrechtlich geschütztes Werk gesehen und der Klage überwiegend stattgegeben (Urt. v. 14.07.2020, Az. 14c O 57/19). 



Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat den Urheberrechtsschutz für das USM Haller Regalsystem dagegen abgelehnt, dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz aber stattgegeben (Urt. vom 02.06.2022, Az. 20 U 259/20). Für ein Werk der angewandten Kunst fehle es dem USM Haller Regalsystem an der für eine geistige Schöpfung erforderlichen Originalität. Seiner Gestaltung lägen lediglich technische Erwägungen, Regeln oder andere Zwänge zugrunde. Raum für die Ausübung künstlerischer Freiheit habe es daneben nicht gegeben. 

Sowohl USM wie auch Konektra legten Revision ein und trugen den Streit zum BGH.

Der BGH hat dem EuGH drei zentrale Fragen zur Auslegung des urheberrechtlichen Werkbegriffs zur Entscheidung vorgelegt. 

Hintergrund hierfür ist ein Vorlageverfahren des schwedischen Höheren Gerichts für Marken-Patentsachen, welches ebenfalls Fragen zum Werkbegriff bei einem Werk der angewandten Kunst betrifft. Der BGH hält den Ausgang dieses Vorlageverfahrens auch für den Ausgang des eigenen Rechtsstreits für relevant und sah in dieser Situation nur zwei Optionen: die Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren abzuwarten oder selbst vorzulegen. Er entschied sich letztlich für eine eigene Vorlage, weil er dadurch für das hiesige Verfahren präzisere Antworten erwartet.

Die erste Vorlagefrage betrifft das Verhältnis zwischen Design- bzw. Geschmacksmusterschutz und Urheberrechtsschutz. Hat der Urheberrechtsschutz einen Ausnahmecharakter, sodass hier höhere Anforderungen an die freie kreative Entscheidung des Schöpfers zu stellen sind, als bei anderen Werkarten?

Bei der zweiten Vorlagefrage geht es darum, ob bei der urheberrechtlichen Prüfung der Originalität (auch) auf die subjektive Sicht des Schöpfers beim Schöpfungsprozess abzustellen ist und er insbesondere die kreativen Entscheidungen bewusst treffen muss oder aber ob es auf einen objektiven Maßstab ankommt.

Schließlich sei bislang nicht eindeutig geklärt, ob bei der Beurteilung der Originalität Umstände herangezogen werden können, die nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Gestaltung eingetreten sind, wie z.B. die Präsentation der Gestaltung in Kunstausstellungen oder Museen oder ihre Anerkennung in Fachkreisen.

Der BGH betonte bei seiner Vorlageentscheidung die Bedeutung für Hersteller von Designmöbeln: "Die Frage, ob und wann Möbel neben einem etwaigen Designschutz auch urheberrechtlichen Schutz genießen, kann aufgrund der starken Rechtsposition des Urheberrechts enorme finanzielle Chancen und Risiken für die Hersteller von Möbeln bergen".

 

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